Sebastianskapelle Betznau

An der alten Handelsstraße von Lindau über Tettnang nach Ulm, 300 Meter vor dem Dorf Betznau (im Jahr 905 erstmals als Thingstätte erwähnt) steht die Sebastianskapelle - mitten in der Natur, neben Hopfengarten und Obstanlage, mit wunderschönem Blick auf den Säntis, den “Hausberg” Kressbronns. Von jeder kleinen Erhöhung aus sieht man die Kapelle. Es ist, als hätte der gräfliche Bauherr Graf Johann III. von Montfort im Jahr 1600 hier ein überall sichtbares Zeichen seiner Herrschaft setzen wollen, vielleicht auch den Handelsleuten, die unmittelbar an der Kapelle vorbeizogen, einen Fingerzeig auf Gott hin geben wollen.

Wenn man direkt vor der Kapelle steht und sie mit ihrem breiten Turm, der 1696 angebaut wurde, und dem Eingangsportal betrachtet, hat man das Gefühl, sich einer großen Kirche zu nähern.

Der Innenraum ist schlicht, zeigt einen einschiffigen Rechteckbau mit eingezogenem, dreiseitig geschlossenen Chor. Auch die Ausstattung ist einfach. Original ist das barocke Kreuz am Chorbogen, das wohl aus der Bauzeit um 1600 stammt. Was zuerst in die Augen fällt ist das Glasfensterbild in der Chormitte aus dem späten 19. Jahrhundert. Es zeigt Christi Geburt auf dem Hintergrund von Stall und Ruine. Der hl. Josef schützt das Jesuskind und Maria hält das Tuch, auf dem das Kind liegt. Eingerahmt ist das innige Weihnachtsbild oben durch die Türme einer Stadt, darunter erscheint der “Stern aus Jakob”: Jesus ist der Nachkomme des Stammvaters Jakob. Unten am Bild ist eine Rose zu sehen. Sie erinnert an die andere Stammbaumfigur Jesu, an Jesse, den Vater des Königs David.

Die inhaltlich wichtigste Figur des Chorraums ist die Gestalt des hl. Sebastian, links auf dem Altar stehend (19. Jahrhundert), an einen Pfahl gebunden, mit Pfeilen beschossen, zum Himmel schauend. Der Kapellenpatron gehört zu den am meisten dargestellten frühchristlichen Märtyrern. Sebastian, der “Erhabene”, aus Mailand stammend, wurde in seiner Jugend Christ, trat in Rom in den Militär- dienst und wurde Befehlshaber der Prätorianischen Leibgarde des Kaisers Diokletian. Als dieser begann, die Christen zu verfolgen, wurde Sebastian angeklagt, weil er Christen in Gefängnissen beistand. Er wurde zum Tod verurteilt, mit Pfeilen beschossen und schließlich mit Keulen totgegeschlagen (um 305). Der hl. Sebastian wird als Pestheiliger und Patron der Schützen verehrt.

Der Sebastiansfigur gegenüber auf der rechten Seite des Altars steht der hl. Johannes der Täufer, der 2. Patron der Kapelle, mit dem Finger auf das Altarkreuz zeigend: “Seht das Lamm Gottes.” An der Chorwand rechts der hl. Petrus, darüber der Viehheilige St.  Wendelin. Auf der linken Wand unten ist St. Martin mit einem kleinen Bettler zu sehen (um 1530), darüber Jesus, der gute Hirte.

Gern übersieht man das Deckengemälde (gemalt 1906 von H. Siebenrock, Stuttgart, der auch die Deckengemälde in der Gattnauer St. Galluskirche geschaffen hat). Die heilige Familie ist dargestellt. Im Zentrum steht erhöht der Jesusknabe.Alle wenden sich ihm zu: Rechts Josef, der Zimmermann, mit Messlatte, daneben Maria mit der Spindel in der Hand. Auch die Mutter Anna, die Großmutter Jesu, blickt zu ihm hin, weg vom Waschzuber, in den ein Engel Wasser eingießt. Der Johannesknabe, Jesus zu Füßen, schaut als einziger von Jesus weg, hin zu den Kapellenbesuchern und verweist sie mit dem Finger auf Jesus, das Spruchband in der rechten Hand: “Ecce agnus dei” - seht das Lamm Gottes. Ein idyllisches Handwerker- und Familienbild, mit durchaus theologischer Aussage.  

Das Dorf Betznau feiert am 20. Januar das Sebastiansfest mit einem Festgottesdienst, bei dem der Schützenverein das Ehrenspalier bildet. Viele nehmen Urlaub, die Kinder bekommen schulfrei, Nachher wird in der Betznauer Gastronomie weitergefeiert.Ein Wermutstropfen für die Besucher der Kapelle: Wegen der schon öfters beklagten Diebstähle ist die Kapelle normalerweise geschlossen, mit Ausnahme des Rosenkranzgebets am Montag um 19.00 Uhr vom Mai bis November.
Pfarrer Sigbert Baumann