Pfarrkirche Maria, Hilfe der Christen

Zwei Schwestern am Weg

Wer aus unterschiedlichen Richtungen kommend, den Ort Kressbronn durchfährt, wird die Ortsmitte erreichen. Eindrucksvoll ist sie durch zwei Kirchen angezeigt, die zusammen mit dem Rathaus einen weiten, hellen Platz fassen. Die kleine Kirche St. Eligius aus dem Spätbarock, erbaut 1748 und Maria Hilfe der Christen, erbaut 1937.

Maria Hilfe der Christen, 1937  von Hans Herkommer aus Stuttgart geplant, weist mit ihrem Erscheinungsbild eindeutig in die Architektur der Moderne. Der Architekt akzentuiert die einzelnen Elemente des Baus durch klare Linienführungen, sodass aus geometrisch-klaren Flächen die eindrucksvollen Körper von Schiff und Turm entstanden sind.  Auf den mächtigen Turm hat der Architekt eine Kugel mit einem Kreuz gesetzt, ein christozentrisches Zeichen für die Erde und den Kosmos am Vorabend des Zweiten Weltkrieges.

Innenraum

Schon nach kurzer Zeit der Wahrnehmung und Raumorientierung spüren wir, wie der Architekt Herkommer 1937 die schlichte und sachliche Sprache seiner Bauformen auch im Inneren fortsetzt. Die Deckengestaltung erinnert an die Grundform christlichen Bauens, an die Basilika. Schlanke, hohe Bogenfelder gliedern die Seitenwände, lassen ein rhythmisiertes Wandrelief entstehen, in das die Fenster eingefügt sind. Der helle, etwas erhöhte Chor findet in der klaren Fläche der Ostwand einen hoheitlichen Abschluss. Der Auferstandene, der Sieger über den Tod, hat hier sein Zelt errichtet. Hier ist der Ort des Heiles und der Anbetung. Die Gemeinde hat diesen geistigen Impuls aufgenommen. Seit 1986 versammeln sich Menschen täglich zur Anbetung vor der Eucharistie.

Der ursprüngliche Altar, aus poliertem Naturstein wurde bei der liturgischen Umgestaltung im Jahre 1961 / 1962 von seinem ursprünglichen Standort an der chorraumabschließenden Rückwand entfernt. Der neue Altar, ein massiver Block aus römischem Travertin wurde frei in den Chorraum gestellt. Zudem wurden die drei bestehenden Altarstufen auf eine reduziert. Im Jahr 1986 wurde der massive Altarblock durch den Bildhauer Wendelin Matt gestaltet. Aus dieser Zeit stammt auch der Ambo, welcher die Formensprache des gestalteten Altars aufnimmt.

Neben diesen beiden Elementen galt es den bestehenden Tabernakel von Hilde Broër, den vorhandenen Korpus und die ursprüngliche Marienfigur in die Umgestaltung mit einzubeziehen. Ausgehend von der schlichten und sachlichen Architektursprache des Innenraumes und der Vorgabe des Kirchengemeinderates den Altar mehr in die „Mitte“ und somit zur Kirchengemeinde zu rücken entstand die Idee einer Altarinsel, die sich aus den bestehenden Chorstufen heraus, in Richtung Bankgestühl erstreckt.

Auf dieser Altarinsel findet auch der von Wendelin Matt und Willi Bucher neu gestaltete Taufstein und Osterkerzenständer Platz. Betont und gefasst wird diese neue „Mitte“ durch die beiden seitlichen und in Längsrichtung angeordneten Bankreihen. Hierfür wurden bewusst die bestehenden, ausgebauten vorderen Bankreihen verwendet.

Die drei schlichten, raumabschließenden Wände werden durch die vorgelagerte Wandscheiben gestalterisch gegliedert, geben diesen eine räumliche Tiefe und den dort platzierten Elementen den entsprechenden Rahmen. Die indirekte Beleuchtung der Wandscheiben verstärkt diesen Effekt und unterschiedlichste Stimmungen können erzeugt werden. Das neue Kreuz zum Beispiel, kann von hinten indirekt beleuchtet werden und verleiht diesem eine gewisse Leichtigkeit. Die ursprünglich recht klein wirkenden Marienfiguren vor den Seitenwänden werden gefasst und bekommen mehr Halt.

Markus Fakler

 

Orgel (Maier)

Seit dem Advent 2005 erklingt eine neue Orgel zu Ehre Gottes und zur Freude der Menschen. Orgelbauer Maier aus Lindau-Hergensweiler hat mit zwei Manualen und 29 Registern ein wohlklingendes Instrument geschaffen. Bei der Gestaltung des Prospektes hat er sich für einen sogenannten Freipfeifenprospekt entschieden. Klangliche Disposition und Erscheinungsbild sind stimmig auf den gesamten Kirchenbau bezogen.  

Glasfenster (Domes)

Der Glasgestalter Diether Domes hat 1965/70 die ursprünglich nur leicht getönten, steglosen Fenster durch seine eindrucksvolle Farbformsprache verändert. Der Künstler orientiert sich an Formen der Bodenseelandschaft, verbindet diese mit Wolkenformationen und Lichtstimmungen. Es ist, als könnte der Betrachter im Licht der Sonne das Entstehen der Landschaft aus dem Geist in die Materie miterleben. Die Fenster des Schiffes sind in ihrer Farberscheinung noch an der sichtbaren Welt orientiert. Im Gegensatz dazu wählte Diether Domes für die Gestaltung der Chorfenster die Farben Rot und Grau. Es sind Farben, die als Symbole in das Zentrum des Glaubens weisen.  

Türöffner (Broer)

An den Portaltüren begegnet der Besucher der Kunst von Hilde Broer, der hochbegabten Bildhauerin und Medaillenkünstlerin, die lange Zeit in Kressbronn lebte. Sie hat den Portalgriffen die Gestalt der Evangelistensymbole gegeben und damit im Wortsinne auf deren Funktion als Türöffner des Glaubens hingewiesen.  

Tabernakel (Broer)

Im Tabernakel, dem Zeichen der Anwesenheit Gottes unter den Menschen, wird im Goldton der Mitte die Spur des Heils wieder aufgenommen. Hilde Broer hat einen Engelchor geschaffen, der anbetend die Mitte umgibt.  

Kreuz (Binzler, Korpus: Barock)

Durch die Neugestaltung unserer Kirche hat die Chorwand eine neue Bedeutung erlangt. Durch die vorgestellte und hinterleuchtete Wandscheibe dominiert das Kreuz den Kirchenraum. Der barocke Korpus und die Dominanz der Wand verlangen nach einer schlichten und zurückhaltenden Gestaltung des Kreuzes. Dem Marterinstrument Kreuz entsprechend, wählten wir einen handbehauenen Balken, der durch seine graue Farbgebung ins Zeichenhafte gewendet wurde. Christus als Zimmermannssohn hat in seiner Jugend sicherlich die Bearbeitung eines Balkens mit dem Beil beherrscht. Die Balken weisen auch Bearbeitungen auf:

-Am unteren Ende ist ein Hakenblatt sichtbar. Es hält die Balken im Fachwerkgefüge zusammen. Im übertragenen Sinne gibt uns das Kreuz Halt und ist die Basis unseres Glaubens.

-Oben befindet sich ein Zapfen. Er verbindet und stützt, so wie Christus uns trägt und zusammenhält.

-Am Querbalken sind 4 senkrechte Kerben zu erkennen. Dies ist ein Abbundzeichen. So markiert der Zimmermann die Position des Holzes im Fachwerkgefüge. So gibt uns Gott Orientierung für unser Leben.

-Das INRI ist im senkrechten Balken eingestemmt. Je nach Lichteinfall ist es stärker oder schwächer erkennbar. Es ist nicht plakativ als Schild gestaltet, sondern zurückhaltend und doch deutlich sichtbar.

Trotz oder gerade wegen seiner Schlichtheit fügt es sich in die Gesamtkonzeption des Kirchenraumes ein und ist zusammen mit dem Tabernakel von Hilde Broer zu einer Einheit gewachsen.

Text: Christof Binzler

Willi Bucher ist angefragt und Wendelin Matt wird angefragt, die unten abgebildeten Kunstwerke zu interpretieren.  

Altar (Matt+Bucher)

Ambo (Matt)

Vier Kunstwerke (Bucher)

Madonnen (Veith, Barock, Broer)

Mit drei Bildnissen ist das Patronat der Kirche, ihre Widmung im Glauben im Kirchenraum zum Ausdruck gebracht.

  • Im Geiste und der Tradition des Kirchenneubaus hat der junge Bildhauer Willi Veith unmittelbar vor  Ausbruch des Krieges eine Immaculata geschaffen. Sie befand sich jahrzehntelang in der Beichtkapelle und steht jetzt auf einem Sockel vor der rechten Wandscheibe.
  • Maria, die Gottesträgerin – so könnte die barocke Figur unbekannter Herkunft genannt werden. Sie befindet sich seit der Renovation 2016 in der Marienkapelle (der früheren Beichtkapelle), links vom Eingang der Kirche. Jesus, der Sohn Gottes und doch auch ihr Kind, wendet sich den Menschen zu. Das Gewand Mariens ist bewegt. Sie wird Jesus tragen und später begleiten, bis unter das Kreuz. Es ist ihre Berufung, Jesus zu den Menschen zu tragen, Hilfe der Christen zu sein. Anders als die Mariengestalt der Moderne tragen sie und das Kind Zeichen der göttlichen Macht: Szepter und Krone, Kreuz und Erdkugel in der Hand des Gotteskindes. Auf der Mondsichel stehend, sagt Maria die Herrschaft Gottes im kosmischen Raum an. Diese Glaubensgewissheit ist heute erschüttert und muss durch Gotteserfahrung, durch Hören auf ihn neu gewonnen werden.
  • An der linken Wandscheibe ist die von Hilde Broer geschaffene Madonna angebracht.

Texte: Gerhard Schaugg (aktualisiert: Redaktion)